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"Die Tür zum Überwachungsstaat wird geöffnet"

Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament, warnt im NFZ-Interview vor anlassloser Massenüberwachung, die Brüssel den EU-Bürgern unterjubeln will.

Harald Vilimsky, freiheitlicher Delegationsleiter im Europaparlament, warnt im NFZ-Interview vor anlassloser Massenüberwachung, die Brüssel den EU-Bürgern unterjubeln will.

Foto: EP / NFZ

Die EU-Kommission hat eine Verordnung präsentiert, die sich gegen Kindesmissbrauch richtet, aber umfassende Überwachungsmöglichkeiten beinhaltet. Geht Brüssel damit zu weit?

Vilimsky: Ja, definitiv. Natürlich ist jeder dafür, dass Kindesmissbrauch verhindert wird. Was aber die Kommission hier liefert, wird von Experten als das ausgefeilteste System zur Massenüberwachung bezeichnet, das außerhalb Russlands oder Chinas eingerichtet wurde.

Wo genau ist das Problem?

Vilimsky: Man will verhindern, dass kinderpornographische Inhalte über das Internet verteilt werden. Dazu soll automatisiert und völlig anlasslos die gesamte Internet-Kommunikation durchsucht und mit Hilfe von Algorithmen problematische Inhalte erkannt werden. Das heißt: Für die EU-Kommission sind alle Bürger verdächtig und müssen sich eine Durchsuchung ihrer gesamten Online-Kommunikation gefallen lassen. Da wird ganz brachial die Axt an die Grundrechte der Bürger gelegt. Wir haben es mit einer völlig überschießenden Regelung zu tun, die in dieser Form in keinem Verhältnis zum beabsichtigten Zweck steht.

Könnte damit auch nach anderen Inhalten gesucht werden?

Vilimsky: Ja, das steht zu befürchten. Man bräuchte nur die Algorithmen entsprechend anzupassen, und schon könnte man auch beispielsweise nach Anzeichen für missliebige politische Meinungen fahnden. Das Missbrauchs-Potential ist gewaltig. Dass die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen das überhaupt beabsichtigt, lässt tief blicken. Da liebäugelt man ganz offensichtlich mit einem Überwachungsstaat à la China. Bemerkenswert ist auch, dass die Kommission ihr Vorhaben gezielt zu verschleiern versucht. Zuerst war stets davon die Rede, dass es „nur“ um die Überwachung von Internet-Chats gehen soll. Tatsächlich zeigt sich in den Tiefen des Entwurfs, dass im Prinzip jede Art von interpersoneller Kommunikation erfasst werden soll. Damit wären auch reine Zugangs-Anbieter betroffen, App-Stores, Gaming-Plattformen oder Cloud-Provider. Und natürlich wäre jede Art von Verschlüsselung privater Kommunikation ausgehebelt. Das ist der feuchte Traum der Brüsseler Überwachungsstaats-Fetischisten. Selbst der Ausschuss für Regulierungskontrolle soll Zweifel daran geäußert haben, ob diese Pläne überhaupt legal sind, weil eine solche Art von Massenüberwachung mit anderen EU-Vorschriften kollidiert.

Angeblich soll sich sogar Hollywood-Star Ashton Kutcher eingeschaltet haben...

Vilimsky: Das zeigt einmal mehr, dass die EU-Kommission ein Problem mit Lobbying hat. Kutcher hat nämlich eine Organisation namens „Thorn“ gegründet, die in Brüssel als Charity-Organisation auftritt. Diese hat eine Software herausgebracht, die auf das Aufspüren von Kindesmissbrauchs-Inhalten spezialisiert ist. Apropos von der Leyen: Die kennt das ja alles längst – und kann es trotzdem nicht lassen. Sie hat ähnliches schon 2009 als deutsche Familienministerin versucht – und sich dabei wegen ihrer Liebe zur Zensur den Spitznamen „Zensursula“ eingehandelt. Ihre Lernfähigkeit scheint jedenfalls kleiner zu sein als ihr Drang nach Massenüberwachung.

Glauben Sie, dass der Kommissionsvorschlag auch umgesetzt wird?

Vilimsky: Ich hoffe nicht. Glücklicherweise ist der Widerstand dagegen durchaus beachtlich und lässt hoffen. Schon im März haben sich 47 Organisationen zusammengetan und in einem Brief an von der Leyen und Innenkommissarin Ylva Johansson ihre massiven Bedenken mitgeteilt. Kritik kommt ganz stark auch von zahlreichen Digitalexperten und Bürgerrechtlern. Aber wir wissen ja, wie das Brüssel so macht: Wenn´s nicht gleich klappt, kommt es in anderer Form wieder. Bedenklich ist, dass die Kommission bereits ein EU-weites Überwachungsnetz aufbauen lässt. In einem der Begleitdokumente zum Kommissionsentwurf findet sich der Hinweis, dass trotz Fehlens jeder rechtlichen Grundlage bereits ein Fonds eingerichtet wurde, mit dem noch vor dem Sommer Pilotprojekte eingerichtet werden sollen. Die gesamte Vorgangsweise der Kommission in dieser Frage ist völlig jenseitig.


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